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Die Grundelemente der Form




Die Arbeit im Bauhaus unterliegt im allgemeinen der endlich beginnenden Einheit verschiedener Gebiete, die noch kürzlich als streng voneinander getrennte aufgefast wurden. Diese neuerdings zueinander strebenden Gebiete sind: Kunst überhaupt, in erster Linie die sogenannte bildende Kunst (Architektur, Malerei, Plastik), Wissenschaft (Mathematik, Physik, Chemie, Physiologie undsoweiter) und Industrie, als technische Möglichkeiten und wirtschaftliche Faktoren.
Die Arbeit im Bauhaus ist eine synthetische. Die synthetische Methode schliest in sich selbstverständlich die analytische ein. Der Zusammenhang der beiden Methoden ist unumgänglich. Auf dieser Basis mus auch die Lehre über die Grundelemente der Form gebaut werden. Die Formfrage im allgemeinen mus in zwei Teile geteilt werden:

1. Die Form im engeren Sinne - Fläche und Raum.
2. Die Form im breiteren Sinne - Farbe und die Beziehung zur Form im engeren Sinne.

In beiden Fällen müssen die Arbeiten von einfachsten Gestatten zu komplizierteren planmäsig übergehen.
So wird im ersten Teil der Formfrage die Fläche auf drei Grundelemente zurückgeführt - Dreieck, Quadrat und Kreis - und der Raum zu den daraus entstehenden Raumgrundelementen - Pyramide, Kubus und Kugel.
Da keine Fläche und kein Raum farblos existieren können, das heist da die Form im engeren Sinne in Wirklichkeit sofort als Form im breiteren Sinne untersucht werden mus, so kann die Teilung der beiden Formfragen lediglich schematisch betrieben werden und andererseits mus von vornherein die organische Beziehung der beiden Teile festgestellt werden - Beziehung Form zur Farbe und umgekehrt.
Die erst entstehende Kunstwissenschaft kann in dieser Fragestellung fast keine Aufklärungen in der kunstgeschichtlichen Perspektive geben und deshalb mus vorläufig der bezeichnete Weg erst geebnet werden.
So steht jedes einzelne Studium vor zwei gleich wichtigen Aufgaben:

1. Die Analyse der gegebenen Erscheinung, die von den anderen Erscheinungen möglichst isoliert betrachtet sein mus, und
2. der Zusammenhang der erst isoliert untersuchten Erscheinungen untereinander - synthetische Methode.

Das erste möglichst eng und beschränkt, das zweite möglichst breit und schrankenlos.


Kandinsky, Wasily, 1923
In: Essays über Kunst und Kunstler (herausgegeben und kommentiert von Max Bill). Teufen 1955 S. 61-62
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